Bundesfinanzhof entscheidet zur Steuerhinterziehung durch Unterlassen

Unter welchen Voraussetzungen eine Steuerhinterziehung vorliegt, ist nicht nur in Steuerstrafverfahren bedeutsam, sondern auch im Besteuerungsverfahren. Während die regelmäßige Festsetzungsverjährungsfrist vier Jahre beträgt, verlängert sie sich im Falle der Steuerhinterziehung auf zehn Jahre.

Der BFH hatte in seinem Urteil vom 14. Mai 2025 - Az. VI R 14/22 - über das Vorliegen einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen zu entscheiden. Der Steuerpflichtige hatte keine Steuererklärung abgegeben, die erforderlichen Informationen lagen der Finanzbehörde aber bereits vor. Nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO macht sich strafbar, wer die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt. Die entscheidende Frage war nun, ob die Finanzbehörde überhaupt "in Unkenntnis“ war. In einem Steuerstrafverfahren hatte das OLG Köln mit Urteil vom 31. Januar 2017 – III-1 RVs 253/16 - entschieden, dass in einem solchen Fall eine Strafbarkeit ausscheide. Unerheblich sei, ob sich die Umstände aus den Akten selbst ergeben oder – wie hier – in dem elektronischen Register zur Verfügung stehen, auf welches der Sachbearbeiter im Rahmen seiner konkreten Zuständigkeit jederzeit Zugriff hat.

Der BFH hat die Rechtsfrage nun strenger entschieden:

  • Zunächst müsse für die behördliche Kenntnis auf die Personen abgestellt werden, die organisationsmäßig für die Bearbeitung des Steuerfalls berufen sind beziehungsweise auf diejenigen, die den Steuerbescheid erlassen haben.

  • Weiter müsse sich die Finanzbehörde den gesamten Inhalt der bei ihr geführten Papierakten, aber ebenso auch einer elektronisch geführten Akte als bekannt zurechnen lassen. Bekannt seien der Inhalt der geführten Akten und sämtliche Informationen, die dem Sachbearbeiter von anderen Stellen über ein elektronisches Informationssystem zur Verfügung gestellt werden, ohne dass es insoweit auf die individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters ankomme.

  • "Nicht bekannt“ seien aber elektronische Daten, die nicht automatisch zur Papierakte bzw. elektronischen Akte gelangen und lediglich auf abrufbaren Datenspeichern der Finanzbehörde "liegen“. Das gelte sogar dann, wenn die Daten mit der Steuernummer verknüpft sind.

Der Steuerpflichtige kann sich daher nicht darauf berufen, dass sich der für die Festsetzung zuständige Bearbeiter die Daten selbst hätte beschaffen können. Gleichwohl bedarf es für die Annahme einer Steuerhinterziehung Feststellungen dazu, ob der Steuerpflichtige einen Hinterziehungsvorsatz hatte. Das dürfte in vielen Fällen, in denen der Steuerpflichtige von einer Kenntnis des Finanzamts ausging, fraglich sein.