Aktuelles

Immer auf dem neuesten Stand

Hier informieren wir Sie über Neuigkeiten in unserer Rechtsanwaltskanzlei oder auch über aktuelle Informationen rund um die Themen Steuerstrafrecht oder Selbstanzeigen. Bei Fragen zu einem Artikel freuen wir uns auf Ihren Kontakt.

EuGH-Urteil zum Vorsteuerabzug USt-Karussell - Verfahren Optigen LTD u.a.

Mit Urteil vom 12. Januar 2006 (verbundene Rechtssachen C-354/03 Optigen Ltd., C-355/03 Fulcrum Electronics Ltd. und C-484/03 Bond House Systems Ltd.) hat der Europäische Gerichtshof (EUGH) entschieden, daß Gesellschaften, die ohne ihr Wissen in ein Umsatzsteuerkarussell verwickelt waren, dennoch einen Anspruch auf Erstattung der Vorsteuer haben.

 

Der Leitsatz des Urteils lautet wie folgt:

"Umsätze wie die in dem Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die nicht selbst mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet sind, sind Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher ausführt, und eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Art. 2 Nr. 1, Art. 4 und 5 Abs. 1 der 6. Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuern – gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerliche Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 97/7/EG des Rates vom 10.4.1995 geänderten Fassung, wenn sie die objektiven Kriterien erfüllen, auf denen diese Begriffe beruhen, ohne daß es auf die Absicht eines von dem betroffenen Steuerpflichtigen verschiedenen, an der selben Lieferkette beteiligten Händlers und/oder den möglicherweise betrügerischen Zweck – den dieser Steuerpflichtige weder kannte noch kennen konnte – eines anderen Umsatzes ankommt, der Teil dieser Kette ist und der dem Umsatz, den der betreffende Steuerpflichtige getätigt hat, vorausgeht oder nachfolgt.

Das Recht eines Steuerpflichtigen, der solche Umsätze ausführt, auf Vorsteuerabzug wird auch nicht dadurch berührt, daß in der Lieferkette, zu der diese Umsätze gehören, ohne daß dieser Steuerpflichtige hiervon Kenntnis hat oder haben kann, ein anderer Umsatz, der dem vom Steuerpflichtigen getätigten Umsatz vorausgeht oder nachfolgt, mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet ist."


Konkreter Gegenstand des EUGH-Verfahrens war die Frage der Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen, die die Gesellschaften Optigen, Fulcrum und Bond House, jeweils mit Sitz im Vereinigten Königreich, bezogen hatten. Die Tätigkeit der Gesellschaften bestand darin, Mikroprozessoren von Gesellschaften im Vereinigten Königreich zu kaufen und an andere Mitgliedsstaaten zu verkaufen. Ohne ihr Wissen waren die Gesellschaften mit ihren Ein- und Ausgangsleistungen jeweils in Umsatzsteuerkarusselle involviert, wobei sie keine Kenntnis von den betrügerischen Absichten der „Karussellbetreiber“ hatten oder haben konnten.

Die englische Steuerverwaltung versagte den Gesellschaften den Vorsteuerabzug mit der Begründung, dass die erfolgten Lieferungen als Teil betrügerischer Lieferketten keine Lieferungen im Sinne des Mehrwertsteuergesetzes darstellten. Die An- und Verkäufe seien objektiv betrachtet ohne wirtschaftliche Substanz gewesen und könnten deshalb nicht zur Annahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit führen.

Nach erfolgloser Klage gegen die Entscheidung der Steuerverwaltung legten Optigen, Fulcrum und Bond House Rechtsmittel beim High Court of Justice (England & Wales) ein, der sich zur Vorlage an den EUGH veranlaßt sah. Insbesondere wollte der High Court of Justice geklärt wissen, ob Umsätze, die selbst nicht unmittelbar mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet sind, aber zu einer betrügerischen Lieferkette gehören, ohne daß der Steuerpflichtige, der die genannten Umsätze tätigt, dies weiß oder wissen kann, Lieferungen von Gegenständen und eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie sind und ob unter den genannten Umständen das Recht des betroffenen Unternehmens auf Vorsteuerabzug eingeschränkt werden kann.

Der EUGH kam zu dem Ergebnis, daß die betroffenen Gesellschaften berechtigt seien, die Vorsteuer aus ihren Eingangsumsätzen geltend zu machen. Die von Optigen, Fulcrum und Bond House getätigten Umsätze seien für sich betrachtet als Lieferungen von Gegenständen und als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie anzusehen, da sie die objektiven Kriterien der Richtlinien, auf denen diese Begriffe beruhen, erfüllten. Auf die Absicht eines an der selben Lieferkette beteiligten Händlers – die das steuerpflichtige Unternehmen weder kannten noch kennen konnten – bzw. auf den betrügerischen Zweck eines Umsatzes der selben Lieferkette komme es hierbei nicht an. Der Vorsteuerabzug werde nicht dadurch berührt, daß innerhalb den Lieferkette ein anderer Umsatz, der dem vom Steuerpflichtigen getätigten Umsatz vorausgeht oder nachfolgt, mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet ist.

Rechtliche Bewertung der Entscheidung des EUGH:

Das Urteil des EUGH bringt die erhoffte Rechtssicherheit für Unternehmen, die grenzüberschreitend Waren ein- und verkaufen. In Deutschland war die Frage nach der Beurteilung einzelner Umsätze im Rahmen eines Umsatzsteuerkarussells bislang nicht abschließend geklärt. Der BFH hatte die vom EUGH behandelten Sachfragen in seinem Beschluss vom 29. November 2004 (AZ: V B 78/04, DStR 2005, 519) unter Verweis auf das zu erwartende EUGH-Urteil ausdrücklich offen gelassen. Mit der nun vorliegenden Entscheidung des EUGH besteht Rechtssicherheit für unwissentlich in ein Umsatzsteuerkarussell verwickelte Unternehmen.

Steuerstrafrecht

Steuerdelikte und Strategien zum Thema Steuerstrafrecht. Ihr Steuerstrafverteidiger unterstützt sie!

 

Hier erfahren Sie mehr

Steuerstreit

Wir vertreten sie in Streitigkeiten mit Finanzbehörden und Finanzgerichten.

 

Weitere Infos

Selbstanzeige

Sie haben Fragen zu einer Selbstanzeige beim Finanzamt wegen Steuerhinterziehung?

 

Hier erfahren Sie mehr