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Keine Steuerhinterziehung durch Unterlassen bei Kenntnis der Finanzbehörde

Bei Kenntnis der Finanzbehörden von den wesentlichen steuerlich relevanten Umständen scheidet nach Ansicht des Oberlandesgerichts Köln eine vollendete Steuerhinterziehung durch Unterlassen aus (Urteil vom 31. Januar – 1 RVs 253/16, NZWiSt 2017, 317 = wistra 2017, 363).

1. Sachverhalt

Der Beschuldigte bezog im Streitjahr 2009 Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit; die entsprechende Lohnsteuerbescheinigung war ab Januar 2010 im elektronischen Register der Finanzverwaltung verfügbar. Daneben gab es Beteiligungseinkünfte aus Mitunternehmerschaften. Diese Einkünfte wurden, wie in den Vorjahren, ordnungsgemäß und fristgerecht gegenüber den jeweils zuständigen Finanzämtern erklärt und sodann dem für den Angeklagten zuständigen Veranlagungsfinanzamt in 2010 und Anfang 2011 mitgeteilt. Eine Einkommenssteuererklärung für das Jahr 2009 gab der Angeklagte bis zum 30. November 2011, als die Steuerbehörde die Veranlagungsarbeiten im Wesentlichen (95%) abgeschlossen hatte, nicht ab. Das Finanzamt erließ daraufhin im Februar 2012 auf der Grundlage der ihm vorliegenden Informationen einen Schätzbescheid, den der Beschuldigte rechtskräftig werden ließ und sofort bezahlte.

2. Urteil des OLG Köln

Das Amtsgericht Bonn hatte wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Im Berufungsverfahren wurde der Angeklagte dann vom Landgericht freigesprochen. Das OLG Köln hat den Freispruch bestätigt.

Bislang war obergerichtlich nicht entschieden, ob und inwieweit es bei einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen auf die Kenntnis der zuständigen Finanzbehörde ankommt. Nach Ansicht des OLG Köln kommt eine Strafbarkeit wegen vollendeter Steuerhinterziehung nicht in Betracht, wenn dem zuständigen Finanzamt zum Veranlagungszeitpunkt die für die Steuerfestsetzung wesentlichen tatsächlichen Umstände bekannt waren. Bekannt ist dabei, was sich aus den dort zum konkreten Steuerfall geführten Akten ergibt oder dem zuständigen Bearbeiter sonst bekannt ist. Dabei macht es keinen Unterschied, ob sich die Umstände aus den Akten selbst ergeben oder in einem elektronischen Register zur Verfügung stehen, auf welches der Sachbearbeiter Zugriff hat. Bei pflichtgemäßer Abgabe der Steuererklärung wäre spätestens am 30. November 2011 die Veranlagung erfolgt. Im zu entscheidenden Fall waren zu diesem Zeitpunkt dem zuständigen Beamten die Einkünfte des Angeklagten bekannt.

Eine Versuchsstrafbarkeit wurde ebenfalls verneint. Der Angeklagte hatte nicht den Vorsatz gefasst, die zuständige Finanzbehörde über den wesentlichen Abschluss der Veranlagungsarbeiten hinaus über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen und dadurch Steuern zu verkürzen. Er wusste, dass seine Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit der Finanzbehörde elektronisch übermittelt werden würden. Der Angeklagte kannte zudem das grundsätzliche System, das im Rahmen der gesondert und einheitlichen Feststellungen der Ergebnisse seiner Unternehmensbeteiligungen dazu führte, dass von den Feststellungsfinanzämtern Mitteilungen an die Veranlagungsfinanzämter der Anteilseigner der jeweiligen Beteiligungen verschickt würden. Vor diesem Hintergrund wusste der Angeklagte, dass sein Veranlagungsfinanzamt Kenntnis von seinen Einkünften bekommen würde, wie es auch in den Vorjahren stets der Fall gewesen war und zu keinerlei Problemen geführt hatte.

3. Anmerkung

Aus Sicht der Steuerpflichtigen ist das Urteil des OLG Köln zu begrüßen, da es eine Menge Argumentationspotenzial für die Steuerstrafverteidigung enthält. Hervorzuheben ist insbesondere die im Strafrecht aus rechtsstaatlicher Sicht gebotene enge Auslegung der Straftatbestände. Nicht jede Verletzung einer steuerrechtlichen Norm führt zu strafrechtlich relevantem Verhalten. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO lautet eben nicht: „Wer pflichtwidrig eine Steuererklärung nicht abgibt, ……“.

Allerdings ist das Urteil kein Freifahrtschein. Eine Steuerhinterziehung ist auch nach Ansicht des OLG Köln denkbar, wenn die vorgeschriebenen Mitteilungen entweder gar nicht erstellt werden oder nicht rechtzeitig vor dem Veranlagungszeitpunkt bei den Finanzbehörden eingehen.

Zudem dürfte die Rechtsprechung des OLG Köln wohl nicht auf die Fälle des positiven Tuns gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO übertragbar sein. Bezogen auf die aktive Steuerhinterziehung nimmt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung an, dass die für die Tatbestandsverwirklichung erforderliche objektive kausale Verknüpfung zwischen den unrichtigen Angaben gegenüber dem Finanzamt und dem Eintritt der Steuerverkürzung keine gelungene Täuschung mit Irrtumserregung beim zuständigen Finanzamt voraussetzt. Vielmehr genügt es, dass die unrichtigen oder unvollständigen Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen in anderer Weise als durch eine Täuschung für die Steuerverkürzung ursächlich werden. Danach kommt es für die vollendete Steuerverkürzung in dieser Tatvariante auf die Kenntnis der Finanzbehörden nicht an (BGH, Beschluss vom 21.11.2012 - 1 StR 391/12). Bei vorsätzlicher Abgabe von unvollständigen Steuererklärungen verbleibt es danach bei der Erfüllung des Straftatbestands, auch wenn dem Finanzamt die fehlenden Informationen vorliegen sollten.

Im vorliegenden Fall war das OLG Köln die letzte Instanz. Es bleibt abzuwarten, ob sich der Bundesgerichtshof, wenn er einen solchen Fall zu entscheiden hat, dem OLG Köln anschließt.

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